Erste Stellungnahme zum "Altanschließergutachten"

03.06.2016 10:31

Erste Stellungnahme zum Gutachten

„Die rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen der Entscheidungen des BVerfG vom 12.November 2015, (BVR 2961/14)“

 

Seit Mai 2016 liegt nunmehr die unabhängige und umfassende Erörterung der Folgen aus den erfolgreichen Verfassungsbeschwerden gegen die Erhebung von Anschlussbeiträgen für Altanschließer vor.
Berichterstatter ist der Universitätsprofessor, Mitautor des Kommentares zum KAG Prof. Dr. jur. Christoph Brüning.

 

Das nun vorliegende Gutachten soll der Meinungsbildung dienen und ersetzt keinen verwaltungsgerichtlichen Prozess. Weiterhin werden erst in folgenden Gutachten die Lösungswege aus der nun vorliegenden Rechtslage aufgezeigt werden.

Hauptaufgabenstellungen waren:

- wer ist mit den Beschlüssen des BVerfG und den Urteilen des OVG erfasst?
- wer hat nunmehr einen Anspruch auf Erstattung der verfassungswidrig erhobenen Beiträge
- ist eine Umlage auf die Gebührenkalkulationen möglich und zulässig
- ergeben sich Amtshaftungs- und/oder Staatshaftungsansprüche

Wichtigste Frage ist der zeitliche Geltungsrahmen der Beschlüsse und Urteile.
Im Werkvertrag zwischen Innenministerium und Gutachter heißt es dazu:

„Für welche Grundstücke hätten nach der Rechtsprechung des BVerfG nach der bis zum 01.Februar 2004 geltenden Fassung des KAG Beiträge nicht mehr festgesetzt werden können?“

 

 

Eine der wichtigsten Feststellungen ist die Tatsache, dass erst mit den Urteilen des OVG Berlin/Brandenburg, vom 12.12.2007 9 B 45.06 und der einhergehenden Bestätigung durch das Landesverfassungsgericht in 2012 die inkonforme Anwendung der Rechtsnorm aus § 8 Abs. 7 Satz 2 ermöglicht und legitimiert worden ist.

 

Vorliegend soll nur ein ganz kurzer Abriss der wichtigsten Aussagen, ohne persönliche Wertung, gegeben werden.

 

 

 

 

 

Wer ist betroffen?

 

Von den Beschlüssen und Urteilen sind all jene betroffen, die
1. Bis 31.12.1999 an die öffentliche Anlage angeschlossen waren
UND
2. Nach 2004 einen Beitragsbescheid und/oder eine Nachberechnung erhalten haben

 

Strittig, und das lässt auch der Gutachter offen, ist die Tatsache, dass sich Anschlussmöglichkeit auf die Anlage des jeweiligen Aufgabenträger beziehen muss ( vgl. OVG Berlin/Brandenburg U.v. 11.02.2016 , 9 B 43.15)
Hier wird es mit Sicherheit weitere Prozesse geben, die allerdings eine Umkehr der bisherigen Rechtsauffassung der Brandenburger Gerichte bedeutet.
Gerade durch die Fussionen im Rahmen der Zweckverbandsstabilisierung und der Eingemeindungen ergeben sich für die Aufgabenträgen damit „Lösungswege“ um aus der Betroffenheit die Beschlüsse des BVerfG zu enteilen.

Aus meiner Sicht ist dieser Fakt aber auch nur dann strittig und ggfls. anwendbar, wenn die erstmalige Bescheidung nach einer solchen Fussion oder Eingemeindung gelegen hat.
Bei den sonst üblichen „Nachveranlagungen/Nachberechnungen/Richtigstellungen“ dürfte das hingegen unstrittig sein, da die grundlegenden Verwaltungsakte mehrheitlich erledigt gewesen sind und somit ein rückwirkendes Wideraufgreifen eines abgeschlossenen Verwaltungsaktes vorliegt.

 

 

Wer hat einen Anspruch auf Erstattung der Beitragsbescheide?

 

Einen gesicherten Anspruch auf Erstattung haben all jene, die
 

  • sich im Widerspruch oder Klageverfahren gegen einen Beitragsbescheid befinden, der die vor genannten Punkte erfüllt

    Trifft das auch auf bestandskräftige Beitragsbescheide zu?

    Nein! Einen grundlegenden Rechtsanspruch auf Aufhebung der rechtswidrigen Bescheide gibt es nicht! Jedoch KANN der Verband/die Behörde auch bestandskräftige Bescheide aufheben. In jedem Fall ist dazu ein Antrag des Betroffenen notwendig.
    Jedoch darf es keine Ungleichbehandlung oder Gruppierung der Bescheidempfänger geben.

    Was passiert bei Teilzahlungen/Stundungen

    So genannte Billigkeitsmaßnahmen dürfen, auch bei bestandskräftigen Bescheiden, nicht vollstreckt werden.
    Stellt der Beitragsschuldner die Zahlungen ein, darf der Verband keine Vollstreckung betreiben, keine Nebenforderungen daraus geltend machen.

Was bedeutet das für die Gebührenkalkulationen?

 

Eigentlich nicht viel!
Der Gutachter kommt zu dem Schluss, dass die Kosten aus der verfassungswidrigen Beitragserhebung NICHT Gebührenwirksam sind.
Genau so dürfen die Zahlungsausfälle aus den Beitragsminder einnahmen NICHT auf die Gebühren wirken.

Sollte es zu Neukalkulationen kommen, ist in jedem Fall darauf zu achten, dass Beitragspflichtige und Gebührenschuldner in keinem Fall doppelt belastet werden dürfen.
Das dürfte, gerade mit Blick auf die nicht vollstreckbaren Billigkeitsanordnungen, zu rechtlich und tatsächlich unlösbaren Problemen führen.
Noch größer stellt sich die Herausforderung dar, dass im Rahmen der Zulässigkeit von § 6 KAG die Gebührenkalkulationen zu berichtigen sind, da die kalkulatorischen Kosten zu berichtigen sind.

Effizient und praktisch ist hingegen die komplette Erstattung ALLER Beiträge und zumindest mit den Betroffenen der Beschlüsse und Urteile auf eine Gebührenfinanzierung umzustellen. § 8 Abs. 4a ließe dazu die Möglichkeit, im Kontext einer Beitragserhebung für all jene, die nach 2004 der Beitragspflicht unterlegen sind.

 

 

Ergeben sich Amtshaftungs- und/oder Staatshaftungsansprüche?

 

Hier kommt der Gutachter zu der Erkenntnis, dass sich keine offensichtlichen Haftungsansprüche ergeben.
Hauptgrund dagegen ist die Tatsache, dass die Brandenburger Gerichte die rückwirkende Anwendung der Rechtsnorm erst ermöglichten und später (LVerfG 2012) auch noch legitimierten.

 

Was bedeutet das konkret für die Betroffenen?

 

Haupterkenntnis:
Ohne Widerspruch werden mitunter auch verfassungsrechtlich falsch begründete Bescheide bestandskräftig! Wer sich nicht zu Wehr setzen möchte, nicht kann, der läuft Gefahr, dass später die rechtswidrige Beitragserhebung trotzdem Bestand hat.

Bestandskräftige Bescheide dürfen, entgegen den Aussagen des Brandenburger Innenministerium, aufgehoben werden. Dazu bedarf es in jedem Fall eines schriftlichen Antrages. Jedoch besteht kein gesetzlicher Pflichtanspruch.

Strittig bleiben die Folgen von Zweckverbandneugründungen und Eingemeindungen. Folgt man der Rechtsansicht des OVG, ist der Tag der ersten Inanspruchnahme Möglichkeit des JEWEILIGEN Aufgabenträger ausschlaggebend für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht. Das gilt NICHT für Nachveranlagungen!

Die vorliegenden und künftigen Gebührensatzungen sind einer intensiven Prüfung zu unterziehen, damit darin nicht die Kosten der Beitragserhebung enthalten sind. Auch die Kosten der Rechtsstreite dürfen darin nicht enthalten sein.

Bis es zu rechtssicheren und belastbaren Gebühren und evl. Beiträgen kommen wird, wird es noch ein weiter Weg sein.
In jedem Fall jedoch bracht es die Mithilfe und Mitarbeit der Betroffenen.

 

 

Für Rückfragen stehe ich gern zur Verfügung
Thomas Kaiser
0152 29 222 722

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